Samstag, 24. Mai 2008
TÜRME - DEN GÖTTERN ZU EHREN
1. - DER TURM ZU BABEL

"Wohlauf", heißt es in der Bibel (Moses, Kap. 11), "laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche." Der Bau des Turms in Babylon ist geschichtlich verbürgt. Es waren die Sumerer, die un 1700 v. Chr. im Tiefland zwischen Euphrat und Tigris auf diese Art ihren Göttern ins Stübchen zu blicken versuchten. Eben darum bauten sie im Zentrum ihrer Stadt zuerst einen "heiligen Hügel", dessen Grundfäche sie großzügig anlegten und terrassenförmig erhöhten. Wie im Alten Testament beschrieben, verwendeten sie "gebrannte Ziegel mit Erdharz als Mörtel" zum Bau des eigentlichen Turms, doch war es keinesfalls so, daß das Hochgebäude wegen der "Sprachenverwirrung" nicht fertiggestellt werden konnte. Es stand weit über ein Jahrtausend auf seiner quadratischen Grundfläche, hatte sieben über Treppen erreichbare Stockwerke, die sieben Göttern gewidmet waren.



Die Spitze bildete ein mit blauglasierten Ziegeln geschmückter Tempel, in dem die "Heilige Hochzeit" des obersten Gottes Marduk zum Neujahrsfest von Priestern vollzogen wurde.
Der griechische Schriftsteller Herodot schrieb um 470 v. Chr., daß er den Turm gesehen habe: "Mitten im Heiligen Bezirk von Babylon ist ein gewaltiger Turm errichtet, der eigentlich aus sieben aufeinanderstehenden Türmen besteht... der oberste Tempelturm ist mit Gold überzogen. In ihm nächtigt eine schöne Jungfrau der Stadt, die für den babylonischen Gott auserwählt worden ist. Die Priester erzählen, der Gott komme persönlich in den Tempel und schlafe mit ihr."
Der Turm wurde mehrfach von Feinden beschädigt oder zerstört. Eine beschriftete Tontafel aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. konnte entziffert werden. Darauf verewigte der Baumeister des assyrische Königs Asarhaddon die Maße. Er war (umgerechnet) über 90 Meter hoch. "Ich habe sein Fundament neu gelegt und seine Mauern wieder aufgerichtet", ritzte der Meister sein Eigenlob in den Ton. Er arbeitete schlampig, denn schon 570 v. Chr. wurde der Turm unter Nebukadzenar II. erneut restauriert, "damit seine Spitze wieder zum Himmel strebe" (Schrifttafel). Nomaden waren es, die das Bauwerk bewunderten, wenn sie durch das ebene und wüste Gelände ritten und plötzlich dieses Riesenebilde aus "gleißendem Gold" vor sich sahen. Ihre Phantasie machte daraus später in Märchen und Sagen den gläsernen, diamantenen oder auch goldenen Berg Gottes. Die 60jährige Babylonische Gefangenschaft der Israeliten veranlaßte wohl die Verfasser des Alten Testaments, jene Sprachenverwirrung beim Bau des Turmes zu erfinden. Auf jeden Fall sind sie die Urheber falscher Vorstellungen, die dann im Laufe der Zeit die vielen "Legenden von Babylon" ins Leben riefen. In der christlichen Welt wurde der Turm von Babel zum Symbol menschlicher Übererheblichkeit.
Erst im 17. Jahrhundert korrigierten Wissenschaftler die Meinung, der Turm hätte bis zum Mond gereicht. Athanasius Kircher, ein deutscher Jesuit, überschätzte die Höhe des Turms zwar immer noch, doch zugleich wagte er sich an eine Darstellung heran, die heute noch verblüfft: Der Turm steht dabei wie ein unendlicch langer Bleistift auf dem Erdglobus und bringt durch seine Länge und seine Hebelwirkung die Erdkugel zum Umkippen. Der Augsburger Naturforscher Jakob Scheuchzer kam 1730 zu diesem Ergebnis: "Da der Mond mindestens 50 halbe Erddurchmesser von uns absteht, wäre es für den Turm von Babel nötig gewesen, 50mal mehr Steine zu verbauen, als die ganze Erde hergegeben hätte."
Schließlich errechnete der deutsche Archäologe Rober Koldewey, der 1912 die Ruinenstadt Babylon entdeckte, die relativ bescheidene Maße des Turms und bestätigte die auf Tontafeln übermittelten Zahlen des Baumeisters der Antike.
Nach Babylon bauten auch andere Völker hohe Türme. Wenn auch der Himmel selbst unnereichbar blieb, so fühlten sich die Gläubigen auf der Spitze eines Berges oder auf der Zinne eines Turms den Göttern näher. Wer oben stand, konnte zudem weit ins Land sehen. Da Überfälle auf Ortschaften fast schon an der Tagesordnung waren, nutzten die Bewohner ihren Turm als Aussichtswarte. Im indischen Raum meißelten die Gläubigen gar göttliche Gesichter in Turmkuppen ein, um die Feinde abzuschrecken. Einer der berühmtesten "Gesichtertürme" steht heute noch im kambodschanischen Angkor.



2. - DER PHAROS VON ALEXANDRIA

Sieben Weltwunder kannte die Antike, und der "Leuchtturm von Alexandria" gehörte dazu. "Sehen und gesehen werden" muß schon im Jahre 29 v. Chr. gegolten haben, als "Sostratus, Sohn des Dexiphanos aus Knidos" (Inschrift) den Bau im Auftrag von Ptolemaios II. errichtete. Im oberen Geschoß des Turms, in 120 Meter Höhe, brannte ein Feuer, das die Seefahrer schon aus einer Entfernung von 22 Kilometern sehen konnten.
Ein Spiegelsystem im Innern des Turms ermöglichte eine bis dahin nie erreichte Fernsicht: Durch ein bewegliches Rohr am Turmoberbau wurde das Schiff anvisiert. Einer der Spiegel projizierte das kopfstehende Bild und vergrößerte es auf einer weißen Fläche im Untergeschoß, wo es von Fachleuten ausgewertet wurde. Dieser Wunderspiegel war es, der im fernen Byzanz den Leuten Schauer über den Rücken jagte: "Man kann damit bis Rom sehen, und auch die Leute auf der Straße von Byzanz, obwohl die Breite des Meeres dazwischen liegt."
Natürlich schmunzeln wir heute bei derartigen Übertreibungen, doch sollten wir den Funken Wahrheit nicht übersehen, daß da nämlich eine technische Neuheit eingeführt wurde, die die Erfindung der Camera obscura vorwegnahm.
Der Leuchtturm selbst war dreistufig. Auf einer spiralenförmig ansteigenden Wegrampe wurde Brennholz auf Eseln zur Spitze des Turms transportiert. Vier riesige Meeresdämonen mit Blashörnern, halb Mensch und halb Fisch - sogenannte Tritonen - zierten die Ecken des 65 Meter hohen Sockels, an den ein imposanter Nebenbau anschloß. Wenn ein Schiff in Sicht war, hallten dumpfe und durch Dampf erzeugte Töne aus den Blashörnern der Tritonen und begrüßten die Ankömmlinge.
Der mittlere Gebäudeteil war aus weißem Marmor, besaß Lichtöffnungen und einen Rundgang. Darüber stülpte sich hutähnlich der laubenartige Laternenbau. Da der Leuchtturm auf der dem Hafen vorgelagerten Insel Pharos lag, nannten ihn die Römer "Pharos von Alexandria". Nach ihm wird das Wort Pharos in allen romanischen Sprachen heute ganz allgemein für Leuchtturm gebraucht. Erst im 14. Jahrhundert stürzte das "Weltwunder" bei einem Erdbeben in sich zusammen. Anfang unseres Jahrhunderts sammelte der Architekt Hermann Thiersch alle verfügbaren Dokumente und Bilder über den Turm, beschrieb seine Funktion und zeichnete ihn für die Nachwelt auf.



3. - TÜRME UND WAHRZEICHEN IM EUROPÄISCHEN MITTELALTER

Die hohe Zeit der Türme in Europa begann erst um 1000 n. Chr. Neben den Pulver-, Wach-, Wehr-, Zunft- und Aussichtstürmen der Burgen und Befestigungsanlagen entwickelte fast jedes Jahrhundert seinen eigenen Baustil bei Kirchen- und Glockentürmen.

1173 bauten der Italiener Buono Buonanni und der Deutsche Wilhelm von Innsbruck in Pisa einen Turm mit 107 Säulen aus weißem Marmor. Schon während der Bauzeit neigte sich das Gebaüde, und die Arbeiten mußten eingestellt werden. Als der Torso sich jedoch nicht weiter schief stellte, ließen die Pisaner ihren Turm hundert Jahre später fertigstellen, wobei der Architekt Giovanni di Simone die Neigung in den neuen Obergeschoßen behutsam zu korrigieren versuchte. Er konnte nicht ahnen, daß "der schiefe Turm" zur Touristenattraktion schlechthin werden sollte.



4. - DAS HÄSSLICHE DING DES MONSIEUR EIFFEL

Der Eiffelturm feierte 1989 sein hundertjähriges Bestehen. Nach wie vor streckt er seine Silhouette scherenschnittartig in den Himmel. Der Bau, den die Pariser anfangs für "haßlich und das Auge beleidigend" befanden, wurde zum Wahrzeichen der Stadt und lockt seither Millionen Menschen alle Jahre wieder in die Metropole an die Seine. Zwei Jahre lang hatte der Ingenieur Alexandre Gustave Eiffel an dem 300,51 Meter hohen Stahlgiganten gebaut. Anläßlich der Vorbereitungen zur Pariser Weltausstellung vor einem Jahrhundert schrieb die Zeitung "Le Petit Journal": "Der Turm des Monsieur Eiffel ist der Zeigefinger, der auf die Weltausstellung der Grande Nation und auf die lieblichste Stadt dieser Erde aufmerksam macht."



5. - SKYSCRAPERS



Die stählernen Hochbauten der Neuzeit, die "an den Wolken kratzen", konnten nur gebaut werden, nachdem der Amerikaner Elisha G. Otis 1854 den Aufzug erfunden hatte. Zwei Jahrzehnte später entstanden die ersten Wohntürme mit mehr als 12 Stockwerken. Der Eiffelturm war nur 1 Jahre lang der hochste Turm der Welt. 1930 überbot der Chrysler-Wolkenkratzer seine Höhe um 6 Meter, und nur ein Jahr danach stand auch schon das Empire State Building in New York, das genau 381 Meter hoch ist. Es folgten eine Reihe amerikanischer Wolkenkratzer, bis hin zum Sears-Tower in Chicago (443 m).



Das mit seinen 101 Stockwerken einschließlich einer nadelförmigen Dachspitze 508 Meter hohe Taipeh 101 ar bis 2003 der höchste Gebäude der Welt. 2009 wird der Burj Dubai mit seinen geplanten 818 Meter (!) alle anderen Wolkenkratzer übertrumpfen.

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